Erinnerung an Hellmuth Senf (1920-2020), Abiturjahrgang 1936

Ein besonderes Zeugnis seiner Schulzeit an der Kreuzschule von 1930-1936 hinterließ Hellmuth Senf, unserem Förderverein bis zu seinem Tod am 9. November 2020 eng verbunden.

Handschriftlich sind von ihm Erinnerungen an die besonders herausfordernden dreißiger Jahre vorhanden.

Außerdem überließ uns seine Tochter Dorothea Senf jeweils ein Klassen- und ein Lehrerfoto aus dem Jahre 1932 sowie das Abschlusszeugnis. 

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Abschlusszeugnis

   

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Lehrerkollegium

 

Um den ganzen Lebensweg von Hellmuth Senf zu verfolgen, hat seine Tochter einen Lebenslauf verfasst.

Lebenslauf

Als drittes von fünf Kindern wurde unser Vater in eine christliche Gärtnersfamilie in Dresden-Strehlen hineingeboren. Allerdings verstarb der ältere Bruder schon neunjährig  infolge einer Erkrankung im Jahr 1921. Unser Vater besuchte eine christliche Grundschule in der Dresdner Innenstadt. Nach nur drei Grundschuljahren, er durfte ein Schuljahr überspringen, erfolgte die Aufnahme in das Kreuzgymnasium (Abschluss nach sechs Jahren mit der Mittleren Reife, schließlich wurde er im elterlichen Betrieb gebraucht und für die Lehrausbildung war kein Abitur nötig). Seine Eltern hielten sich in der Hitlerzeit zur Bekennenden Kirche; deshalb schickten sie ihren Sohn zu Konfirmandenunterricht und Konfirmation nicht in ihre Heimatkirchgemeinde Strehlen, sondern in die Zionskirche Südvorstadt zu einem Pfarrer der Bekennenden Kirche. (Unser Großvater wurde wegen seiner klaren Haltung gegen die Deutschen Christen bereits 1934 aus dem Strehlener Kirchenvorstand ausgeschlossen.)

Im väterlichen Betrieb fand die zweijährige Lehrausbildung unseres Vaters zum Baumschulgärtner statt. Ab Kriegsbeginn wurde zunächst der Antrag auf UK (=Unabkömmlich) bewilligt, doch 1940 erfolgte zunächst die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst für zwei Monate nach Ostpreußen, ab Oktober des gleichen Jahres musste er Soldat werden. Nach der Ausbildung kam er zu drei Einsätzen an die Ostfront, unterbrochen durch zwei Lazarettaufenthalte (wegen Diphterie und Splitter im Knie). Bei der dritten Verletzung am 8.2.1945  (Durchschuss des Fußes) geriet er in Gefangenschaft der Roten Armee. Er durchlief acht Gefangenenlager in der Sowjetunion, ehe er am 23.9.1948 entlassen wurde. – Über diese schwere Zeit hat er nach Jahrzehnten des Schweigens manches erzählt.

Zwei besondere Punkte daraus: Er bezeugte, dass es Gnade war, dass er nie in Kampfhandlungen geriet und daher hätte auf Menschen schießen müssen. Und das Zweite: Das kleine Neue Testament, welches er in dem ersten Haus seiner Gefangennennahme entdeckte und mitnehmen konnte, blieb ihm in der gesamten Lagerzeit erhalten, obwohl er bei jeder Verlegung alles Persönliche abgenommen bekam. Die „Biblia“ aber überließen die Russen unserem Vater immer. - Nach der Rückkehr noch schwer krank mit bleibenden körperlichen Einschränkungen, arbeitete er wieder im elterlichen Betrieb und machte seine Meisterausbildung in Pillnitz (Prüfung 1952). Im gleichen Jahr wurde die OHG Guido Geißler, Baum- und Rosenschulen, Inh. Max Senf & Söhne gebildet. Damit waren sein Bruder Günter und er Baumschulmitbesitzer.

Die Christuskirchgemeinde in Strehlen wählte unseren Vater 1953 in den Kirchenvorstand, diese Aufgabe nahm er ein Vierteljahrhundert wahr. Dazu gehörte auch jahrzehntelanges Mitarbeiten im Friedhofsvorstand. Eine Wahlperiode lang brachte er sich als Synodaler der Sächsischen Landessynode ein. – Am 21.08.1954 heiratete er Sibylle geb. Schleicher. Als Ehepaar nahmen sie an den Allianzkonferenzen in Blankenburg, Tagungen der Evangelischen Akademie Meißen und Rüstzeiten der Landeskirchlichen Gemeinschaft teil. Nach und nach wurden wir fünf Kinder geboren. Einige Jahrzehnte hielt Vater in der LKG ehrenamtlich Bibelstunden und bereitete sich gewissenhaft darauf vor.

Er übernahm weitere berufliche Aufgaben: Lehrlingsausbildung, Berufung in die Prüfungskommission, Sekretär im Fachverband Untergruppe „Rosen“, Berufung in die Meisterprüfungskommission (obwohl er nicht studiert hatte). Eine große Umstellung bedeutete 1960 die Zwangskollektivierung der Gärtnerei in die GPG „Azalee“. 1974 wurde die größere GPG „floradres“ gebildet. Außerdem sickerten ab 1968 die Pläne des Staates durch, auf dem Gärtnereigelände Wohnungen bauen zu wollen. Mit dieser Dauerunsicherheit musste weiter gearbeitet und gelebt werden, bis 1984 der tatsächliche Zwangsverkauf von Grundstück und Gebäuden erfolgte. Der Verlust des ererbten Betriebes (gegr. 1836) war für ihn sehr schmerzlich. Vor allem die Abtragung des besonders wertvollen Mutterbodens, sowie die Beseitigung botanischer Raritäten, von mehreren Gärtnergenerationen gesammelt, blieben ihm unbegreiflich.

Eine Mietwohnung bekam die inzwischen nur noch dreiköpfige Familie (alle anderen Kinder waren flügge) auf der Ackermannstraße vom Staat zugewiesen. Ihrer Christuskirchgemeinde in Strehlen blieben sie treu. Vater musste noch ein reichliches Jahr in einer Nachbarabteilung der GPG arbeiten, ehe 1985 seine Rentenzeit begann.

Zunächst bewirtschafteten unsere Eltern zwei gepachtete Gärten, dann viele Jahre einen. Überall war Vater ein gefragter Berater in sämtlichen Gartenbauangelegenheiten.

Bewusst entschieden sich unsere Eltern für eine Einschränkung ihres Renten-Daseins: sie nahmen Mutters Vater in ihrer Wohnung auf und pflegten ihn bis zu dessen Lebensende.

Dann machten sie Reisen und genossen einfach viel Kultur: besuchten Ausstellungen, Veranstaltungen des Sächsischen Heimatschutzbundes und des Kreuzschulvereins, hörten regelmäßig Kreuzchorvespern und Konzerte der Dresdner Philharmonie (sie besaßen sicher eines der langjährigsten Philharmonie-Anrechte).

Auch nach dem Umzug auf die Grundstraße ins Haus ihrer ältesten Tochter im Jahr 2003 behielten sie die Aktivitäten bei, so lange es ihre Kräfte erlaubten. Allerdings bedeutete der Umzug den schweren Abschied von fast allen Verbindungen zur Strehlener Christuskirchgemeinde. Noch viele Jahre nahmen sie anteilnehmend und -gebend an Gottesdiensten und Bibelkreisen in den umliegenden Kirchgemeinden Bühlau und Loschwitz teil. – Unser Vater war ein Bewahrer und Pfleger: ob es um die Geschichte seiner Christuskirchgemeinde in Strehlen, den Dreiklang von Kreuzschule, Kreuzchor und Kreuzkirche oder der Gärtnerei ging, alles wurde von ihm genau gesammelt, nachgeforscht, geordnet und beschriftet. Besonders bewegte ihn der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, an deren Weihegottesdienst er teilnehmen konnte. Interessiert und begleitend an allem Werden und Wachsen führte er eine entsprechend umfangreiche Korrespondenz. Sehr zurückhaltend, nach langem und gründlichem Nachdenken, konnte er druckreife Sätze formulieren.

Der Grund, auf dem sein Leben mit vielen Höhen und Tiefen ruhte, war sein unerschütterlicher Glaube. Sein Konfirmationsspruch aus Jes. 40, 31 „die auf den Herrn harren, gewinnen neue Kraft, dass ihnen neue Schwingen wachsen wie den Adlern, dass sie laufen und nicht müde werden, dass sie dahinschreiten und nicht ermatten“ und der gemeinsame Trauspruch aus 2. Kor. 5,7 „denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen“ trug ihn ein Leben lang.

Dorothea Senf

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handschriftliche Erinnerungen

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